Andacht und Teetrinken am 03.05.2025

Warum die Quäker auf Liturgie verzichten Teil I.

WARUM DIE QUÄKER AUF LITURGIE VERZICHTEN TEIL I.

Hallo liebe Freunde und Freunde der Freunde!

Kommenden Samstag, den 03.05.2025 um 17 Uhr, findet in der Königstraße 132 in 47798 Krefeld die nächste Quäker-Andacht statt, zu der Ihr wieder herzlich eingeladen seid.

Für diejenigen, die möchten, besteht bereits ab 16 Uhr die Möglichkeit, sich mit der Bibel zu beschäftigen, Glaubensfragen zu diskutieren und/oder einfach nur Tee zu trinken.

Diesmal geht es darum, warum die Quäker keine Liturgie haben, nicht singen, keine Gebetsformeln verwenden und keine vorbereiteten Predigten halten.

Als ich mir dieses Thema ausgesucht habe, dachte ich zunächst: „Nicht besonders spannend, aber man sollte es mal erklärt haben.“ Ich ging davon aus, dass es dazu nicht allzu viel zu sagen gibt. Zuerst hatte ich die Idee, ein paar pointierte Aussagen von William Penn zu verwenden. Doch als ich dann in Robert Barclays Apologie nachschlug, war ich überrascht: Ich stieß auf ein 90-seitiges Kapitel mit 28 Unterpunkten allein zum Thema Gottesdienst! Das machte mir schlagartig klar, dass ich in den 20 Jahren, die ich nun Quäker bin, eine gewisse Betriebsblindheit entwickelt habe.

Ich werde eine kleine Reihe über das Verständnis des Gottesdienstes bei den Quäkern gestalten, voraussichtlich in zwei oder drei Terminen. Die Übersetzung der Apologie stammt aus dem Jahr 1684 bzw. 1776 und ist in Frühneuhochdeutsch verfasst. Zum leichteren Verständnis werde ich die Kernaussagen in modernem Deutsch zusammenfassen. Wer sich für Barclays Originalton interessiert, findet die entsprechenden Zitate in den Fußnoten.

ROBERT BARCLAY

Robert Barclays wichtigste Kernaussage lautet: Der Gottesdienst muss aus einer inneren Bewegung heraus erfolgen – alles andere ist Aberglaube.1 Wie radikal und konsequent die frühen Freunde diesem Gedanken folgten, wird durch die folgenden Argumente deutlich.

Gestaltet man den Gottesdienst nach dem, was einem persönlich am meisten Freude bereitet, um dann anzunehmen, dass dies auch Gott erfreue, so versucht man, Gott zu täuschen – ähnlich wie auch Menschen einander manipulieren. Ein wahrer Dienst und ein echtes Opfer sind jedoch nur das, was Gott wirklich von uns erwartet.2 Den frühen Quäkern war vollkommen bewusst, dass ihr Gottesdienst auf andere sehr ungewöhnlich wirken könnte.3 Bei allem Minimalismus halten sie den Gottesdienst aber keineswegs für überflüssig. Auch wenn ihnen der Ort, der Tag und die Stunde des Treffens unwichtig sind, dient der Gottesdienst in ihren Augen der persönlichen Erbauung und macht die Gemeinschaft auch öffentlich sichtbar.4

Nach Ansicht der Quäker ist es kontraproduktiv, das Predigen nur bestimmten Menschen zu bestimmten Zeiten zu erlauben. Dies erzeugt die Erwartung, dass allein durch diese Personen Gottes Offenbarung geschieht. Dadurch wird die Aufmerksamkeit der Zuhörer von ihrer eigenen inneren Erfahrung abgelenkt.5 Quäker lehnen vorbereitete Predigten ab, da in ihnen weder persönliche Weisheit noch eine göttliche Eingebung spricht. Stattdessen handelt es sich lediglich um eine intellektuelle Leistung. Zudem ist diese Form der Predigt nicht darauf ausgelegt, spontan mit den Zuhörern zu interagieren oder zu erspüren, was in einer konkreten Situation gebraucht wird.6 Die Quäker sehen kein zwingendes Gebot, den Gottesdienst an einem bestimmten Wochentag abzuhalten. Allerdings erkennen sie durchaus den Sinn darin, Menschen von ihrer Arbeit freizustellen, damit sie sich ausruhen und geistigen Dingen widmen können – besonders in lohnabhängiger Arbeit.7

Barclay räumt ein, dass einige Katholiken und Protestanten einen Zugang zu Gott hatten und ihr Leben ein klares Zeugnis davon gibt. Dies lässt er jedoch nicht als Beweis dafür gelten, dass die katholische Gottesdienstform gut sei. Vielmehr hätten diese herausragenden Persönlichkeiten ihren Zugang zu Gott trotz der Messen gefunden – nicht wegen dieser.8 9



This work is licensed under CC BY 4.0



  1. Einleitung Seite 477 “Aller wahre und angenehme Gottesdienst wird durch, die innerliche und unmittelbare Bewegung und Neigung seines eigenen Geistes vollbracht, welche weder an Ort, noch Zeiten, noch auch an Personen gebunden ist. […] Aller anderer Gottesdienst, er geschehe mit Lobgesängen, Gebet oder Predigen, die der Mensch nach eigenem Willen und Gefallen, und nach seiner eigenen Bestimmung verrichtet, und nach Belieben anfangen und schließen, tun oder lassen kan, wie er es selbst vor gut ansieht: Es mögen dieselben in einer vorgeschriebenen Formel, als das gemeine Kirchengebet, oder in solchen Gebeten bestehen, die durch das natürliche Vermögen und Wirken des Gemüts sofort aus dem Kopf hervor gebracht werden;10 aller solcher Gottesdienst, und alle solche Ausbrüche des eigenen Wirkens, sind weiter nichts als bloßer Aberglauben, selbsterwählter Gottesdienste eigenwillige Verehrung und Abgötterei in den Augen Gottes, […] ↩︎

  2. Paragraph 1, Seite 479, “Und gleich wie Gehorsam besser ist, als Opfer; deshalb ist auch kein Opfer angenehm, als ein solches, das nach dem Willen dessen, dem es dargebracht wird, geschieht. Weil es aber den Menschen viel leichter fällt, nach ihrem Eigenwillen zu opfern, als Gottes Willen zu gehorchen, so haben sie Opfer ohne Gehorsam gehäuft. Und da sie Gott zu betrügen vermeinen, wie sie es einander selbst machen, so leisten sie ihm einen Schein äußerlicher Verehrung, Andacht und Anbetung, da sie doch immittelst innerlich von seinem heiligen und gerechten Leben entfremdet, und die reinen Eingebungen seines Geistes, worin das angenehme Opfer und der wohlgefällige Gottesdienst allein dargebracht wird, ihnen ganz und gar unbekannt sind.” ↩︎

  3. Paragraph 1, Seite 480 “Da ich denn durch den Beistand Gottes klar dazutun hoffe, daß, obschon unsere Redensart und Lehre ganz sonderbar und von allen andern Arten der Christen unterschieden zu sein scheint, solche dennoch mit der reinsten Christlichen Religion am genauesten überein kommt, und gewiss höchst nötig ist, und allerdings verdient, in Betrachtung gezogen, und des Beifalls gewürdigt zu werden.” ↩︎

  4. Paragraph 3, Seite 482 “Nein, wir sind gar nicht von denjenigen, die die Versammlung verlassen; (oder die da unterlassen, sich mit einander zu versammeln,) sondern wir haben auch gewisse Zeiten und Ort, zu welchen und an welchen wir fleißig zusammen kommen, auf Gott zu harren, und ihn zu verehren und anzubeten, (und hierüber halten wir so fest, daß wir weder durch die Drohungen noch Verfolgungen der Menschen davon können abgetrieben werden.) Denn wir achten es für nötig, daß das Volk Gottes tes zusammen komme. Dieweil, so lange wir mit dieser äußerlichen Hütte bekleidet sind, es nötig ist, eine vereinigte und sichtbare Gemeinschaft zu unterhalten, und ein äußerliches Zeugnis für Gott abzulegen, und einander dem Angesicht nach zu sehen, daß wir so wohl dem Leibe als Geist und Gemüt nach zusammen kommen, und vereinigt sind. Denn wenn solche innerliche Liebe und Einigkeit des Geistes dabei zugegen ist, gereicht solches nicht wenig zu Aufmunterung und Erfrischung der Heiligen.” ↩︎

  5. Paragraph 3, Seite 483 “Davon alle die übrigen ausgeschlossen sind, daß sie nicht einmal glauben dürfen, sie wären verbunden, auf den Geist Gottes zu harren, damit er sie bei dergleichen Dingen bewege. Und deshalb setzen sie dasjenige bei Seite, welches sie in ihnen selbst lebendig machen sollte; und da sie nicht harren, bis sie die reinen Eingebungen des Geistes Gottes füllen, um solchen zu folgen, verlassen sie sich nur bloß auf den Prediger, und hören, was er ihnen sagen werde.” ↩︎

  6. Paragraph 3, Seite 483 “Zweitens, missbilligen wir eben dieses, daß diese besonderen Leute, die Prediger, nicht dahin kommen, den Herrn zu finden, und auf die innerlichen Bewegungen und Wirkung seines Geistes zu warten, und deshalb zu beten, wie sie den Geist durch sich und in sich hauchen fühlen; und zu predigen, nachdem sie von dem Geist Gottes getrieben und bewegt werden, und nachdem er ihnen Vermögen auszusprechen gebietet. Also, daß sie ein Wort zu rechter Zeit, und wie es der Zustand und die Beschaffenheit der Zuhörer und ihrer Herzen erfordert, reden mögen, die müden Seelen zu erquicken und zuzulassen, daß Gott durch seinen Geist so wohl die Herzen des Volks zubereite, als auch dem Prediger Gnade gebe, dasjenige zu reden, was der Zeit und den Umständen nach, gut und nützlich, heilsam und ersprießlich vor dasselbe ist. Sondern ein solcher hat auf seiner Studierstube etwas nach seinem eigenen Willen, durch seine menschliche Weisheit und Gelehrsamkeit, zusammen geschmiedet, indem er die Worte der Wahrheit dem Buchstaben der Schrift abgestohlen, und aus anderer Leute Schriften und Anmerkungen so viel heraus geklaubt und an einander geflickt, als erklecklich sein will, ihn eine Stunde lang, bis der Zeiger (oder die Sanduhr) aus ist, reden zu lassen: Und, ohne den innerlichen Einfluss des Geistes Gottes zu erwarten, oder zu empfinden, schwätzt er auf ein Geradewohl solches nach einander daher, es mag sich auf des Volks Zustand schicken oder nicht, und wenn er seine auswendig gelernte Predigt abgelegt, oder geendet hat, sagt er das Gebet auch aus seinem eigenen Willen her, und hiermit hat das heilige Werk ein Ende.” ↩︎

  7. Paragraph 4, Seite 485 “Zweitens ist es dienlich, daß sie zuweilen von ihren andern äußerlichen Geschäften frei sein. Drittens erlaubt die Vernunft und Billigkeit, daß Gesinde und Tieren (oder Menschen und Vieh) eine Zeit eingeräumt werde, da sie von ihrer beständigen Arbeit Erleichterung bekommen. […] Also finden wir uns aus diesen Ursachen sattsam bewegt, solches zu tun, ohne daß wir erst nötig haben, auf eine abergläubische Weise eine andere Ursache aus der Schrift zu erzwingen. […] Daher, ob mir schon an diesem Tag zusammen kommen, und alle Arbeit unterlassen, so hindert uns doch solches keineswegs, daß wir auch nicht zu andern Zeiten des Gottesdiensts halber Zusammenkünfte haben sollen.” ↩︎

  8. Paragraph 5, Seite 487 “Ich glaube, daß die katholische Messe und die Vespern, was das Wesen selbst anlangt, eine abscheuliche Abgötterei und Aberglauben sei. Und dieses glauben die Protestanten auch. Jedoch will ich keineswegs behaupten, und sie werden es eben so wenig zu bekräftigen suchen, daß in der Finsternis des Katholizismus kein aufrichtiggesinnter Mensch, ob er sich schon in solchen Gräueln eifrig erwiesen, vou Gott erhört und angenommen worden sei. Wer kan leugnen, daß so wohl Bernard und Bonaventura, als auch Taulerus, Thomas Kempis und viele andere von der Liebe Gottes gewusst und gezeugt, und die Kraft und Tugend des Geistes Gottes, die in ihnen zur Seligkeit gewirkt, gefühlt und empfunden haben? Sollten wir aber deswegen nicht diejenigen abergläubischen Alfanssereien, die sie noch mit gemacht, verwerfen?” ↩︎

  9. Paragraph 5, Seite 488 “Unterdessen wollen die Presbyterianer keineswegs, daß man daher schließen soll, als ob die allgemeine Gebete immer noch verbleiben müssten. Also ist auch unsere Meinung. Ob wir schon bekennen, das sich, so wohl unter den Katholiken als Protestanten, durch die Barmherzigkeit, Langmut, und Nachsicht Gottes, viele aufrichtige Herzen gefunden; so können wir doch deswegen ihre Weise überhaupt nicht billigen oder Anstand nehmen, den geistlichen Gottesdienst wieder aufzurichten und zu erhalten, zu welchem der Herr jetzt alle beruft, und deshalb wider dasjenige zeugen, was solchem im Wege steht.” ↩︎

  10. Matth. 10,20 ‘Nicht ihr werdet es sein, die Rede und Antwort stehen, sondern der Geist eures Vaters im Himmel wird durch euch sprechen.’ ↩︎